Das Einfache steht nicht am Anfang, sondern am Ende eines intensiven Denkprozesses

9 Sep

Komplizierte Lösungen zu finden ist eine einfache Angelegenheit. Einfachheit braucht Genialität und Zeit. Es geht darum, die ganze Komplexität einer Aufgabe zu verstehen, sie danach auf das Wesentliche zu reduzieren und anschließend mit einem raffinierten Detail unverwechselbar zu machen.

„Jetzt kenne ich 1237 Wege, wie es nicht funktioniert!“ – Im Zuge der Erfindung der Glühbirne hatte Edison zunächst ebenso viele ‚Errors‘ wie ‚Trials‘. Warum hat er nicht gleich den richtigen Weg zu Beginn seiner Versuchsreihe verfolgt?

das Einfache
das Einfache

 

Der Weg aus der Komplexität braucht Zeit

Es muss nicht immer eine bahnbrechende Erfindung sein. Jeder von uns kennt das folgende Prinzip auch bei den kleinen Dingen des Lebens. Man fragt sich: Das ist doch eine simple Idee. Warum hast du so lange dafür gebraucht? Manche Ideen sind so reduziert und einfach, dass sie nicht einmal patentfähig sind.

Komplexität ist kaum beherrschbar

Doch häufig beobachte ich im Designprozess, dass Maschinen in ihrer Gesamtheit viel zu komplex und damit für den Anwender kaum beherrschbar sind. Die Aufgabe von Design Tech ist die entschlossene Vereinfachung, um so z. B.  die Übersichtlichkeit, die Bediensicherheit und die Arbeitssicherheit zu verbessern.

Komplexität beherrschen kommt vor dem Vereinfachen

Das bestätigt uns auch der Schweizer Vereinfachungsexperte Dr. Michael Hartschen. Noch vor dem Vereinfachungsprozess braucht es die scharfsinnige Beschäftigung mit der Komplexität. Erst wenn der Industrial Designer von Design Tech die gesamte Aufgabe und Komplexität der Maschine vollkommen beherrscht, so dass er die Anforderungen virtuos variieren kann, kann der Prozess der Vereinfachung beginnen.

Oft denken wir über den Wirrwarr der zunächst unüberschaubaren Aufgabe Tag und Nacht nach. Wir suchen nach Ordnung, Struktur und Zusammenhängen. Unser Gehirn ist unaufhörlich aktiv, bis der Knoten platzt.

Naheliegend und dennoch überraschend 

Bei Design Tech spüren wir  sofort, wenn wir die punktgenaue Lösung gefunden haben. Erst dann präsentieren wir dem Kunden den Entwurf. Und manchmal schleicht sich das Gefühl ein, dass Außenstehende unsere enorm hohe zeitliche Investition und Denkarbeit nicht erkennen können. Für sie handelt es sich ja schließlich um einen naheliegenden Lösungsvorschlag. Es gelingt mir immer besser, diese Einschätzung als Kompliment zu verstehen.

Neue Mitarbeiter müssen „einfach“ erst lernen

Neue Mitarbeiter einzulernen braucht neben Zeit, Übung und Anleitung auch die geeignete Vorgehensweise. Ich habe noch niemand erlebt, der auf Anhieb „einfach“ kann. Schritt für Schritt führen wir die Maschinendesigner an diese Fähigkeit heran. Dies ist ein schwieriger und mühevoller Prozess für alle Beteiligten.

Auch die Vollständigkeit und Verflechtung einer Aufgabe zu erkennen, will gelernt sein. Liegt nach wenigen Stunden dann ein Entwurf auf dem Tisch, sieht nur der Geübte, dass wir noch weit von der gewünschten Simplizität entfernt sind.

Wer „einfach“ kann, beherrscht das abstrakte Denken

Wird ein Mitarbeiter zum festen Mitglied des Design Tech -Teams, ist das immer auch ein sicheres Indiz dafür, dass er die ersten Schritte der Vereinfachung verstanden und gelernt hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein Industrial Designer dann zum Vereinfacher werden kann, wenn er abstrakt denken, strukturieren und priorisieren kann.

Vereinfachen ist nicht nur Ordnung schaffen 

Vielmehr ist unser Ziel, ein individuell erkennbares Zeichen zu setzen, indem wir die Vereinfachung ganz gezielt durch markante Details ergänzen. Der bekannte Gebrauchsgrafiker Anton Stankowski, der unter anderem das Markenzeichen der Deutschen Bank entwickelt hat, drückte das so aus: ‚Zuerst vereinfachen, dann an einer Stelle etwas wegnehmen und an einer anderen völlig unerwarteten Position etwas hinzufügen.‘ Im Maschinendesign hat das markante Detail nicht nur ästhetischen Charakter. Der Mehrwert ist vehement gefordert.

Was nützt Vereinfachung?

Vor einigen Jahren haben wir für den Weltmarktführer im Bereich Holzmaschinen, die HOMAG AG, eine Maschinenreihe entwickelt und vereinfacht. Nach einem Jahr teilte mir der Schulungsleiter Wolfgang Mutschler mit, dass die Schulungszeiten nun deutlich kürzer und unproblematischer verlaufen würden. Die Maschinenbediener hätten bereits beim ersten Kontakt mit der Maschine das Empfinden, dass sie die Komplexität der Anlage beherrschen könnten.

Dafür hat sich jede Anstrengung und die Investition in Maschinendesign gelohnt. Auch Ihnen wünsche ich viel Freude an den einfachen Dingen des Lebens.

Ihr Jürgen R. Schmid

 

Ammerbuch Nähe Stuttgart

 

 

 

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