Die heimliche Kraft der Alltagsworte

27 Jan

Wenn ich zum ersten Mal in ein Unternehmen komme und mich auf die dort vorherrschende Wortwahl konzentriere, kann ich schnell heraushören, welche Unternehmenskultur gepflegt wird. Bald erkenne ich, wie die Menschen insgesamt miteinander umgehen. Ihre Sprache verrät auch, ob in dieser Firma erfolgsorientierte Menschen am Werk sind, die ihre Sache selbst in die Hand nehmen, oder ob ich es mit  „Opfertypen“ zu tun habe. Opfer beklagen die Umstände, die Tricks der Wettbewerber oder die gewöhnlichen täglichen Herausforderungen. Unsere Sprache verrät nicht nur unsere tonangebende Denkweise. Auch unsere Lebenseinstellung geben wir damit preis. Denken wir beispielsweise optimistisch, verwenden wir positive Worte.

Wording
Worte entfalten sich in der Tat

 

Auch bei Design Tech müssen wir stets an unserer Sprache arbeiten

Ich muss mich an meine eigene Nase fassen: Wenn ich bewusst die Ohren spitze und hinhöre, welche Worte wir in unserem Industrial Design Team verwenden, erkenne ich auch bei uns ein beträchtliches Verbesserungspotenzial. Grundsätzlich streben wir danach, positive, wertschätzende Worte zu verwenden, die auch Verantwortungsbewusstsein und Eigeninitiative ausdrücken. Wir haben uns entschieden, einen aktiven Wortschatz zu kultivieren. Anstatt des unpersönlichen „man“ sprechen wir von „ich“. „Ich sollte“ heißt bei uns „Ich mache jetzt!“. Doch auch wir befinden uns auf dem Weg…

Wo kommt plötzlich der Befehlston her?

Manchmal höre ich einen Befehlston – auch von mir selbst. Dieser gefällt mir ganz und gar nicht. Wertschätzung drückt sich in „bitte und danke“ aus. Und nicht in „mach‘ mal“, wenn ich es selbst schnell erledigen könnte. Auch Praktikanten sind keine Leibeigenen oder Diener, die sich mit jeder Tätigkeiten herum quälen müssen, zu der ich selbst keine Lust habe. Vorgesetzte wiederum sind keine Befehlshaber, die mit respektlosen Äußerungen ihre Macht demonstrieren oder ihrem Frust freien Lauf lassen dürfen.

Respekt oder Missachtung

Zuerst denken wir, was wir sagen werden. Dann tun wir es. Achten Sie einmal auf Ihre eigene Sprache und die anderer Menschen. Schnell werden Sie erkennen, wer sich verbal eher im Bereich des Respekts oder dem der Missachtung bewegt. Es ist eine hohe Kunst über die eigene Wortwahl das nachfolgende Verhalten bewusst zu beeinflussen und so Missachtung durch Respekt zu ersetzten.

Seit Jahrtausenden gilt es als willkommene Tugend, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Aus eigener Erfahrung weiß ich allerdings, dass dies ein hoher Anspruch ist.

Erfolgreiche Unternehmen brauchen eine wertschätzende Sprache

Ich habe noch kein zukunftsfähig erfolgreiches Unternehmen gesehen, in dem ein ungünstiger Sprachgebrauch vorherrscht. Welcher intelligente Ingenieur möchte sich schon dauerhaft gegen fragwürdige Angriffe verteidigen müssen? Welcher talentierte Designer sucht sich ein Industrial Design Unternehmen, in dem er verbal klein gemacht oder klein gehalten wird?

Gute und schlechte Umgangsformen sind ansteckend

Auch wir möchten nicht mit Auftraggebern zusammen arbeiten, die uns wie Lieferanten behandeln.

Vor einigen Jahren trennten wir uns von einem wichtigen Kunden, weil uns kontinuierlich das Wort im Munde umgedreht wurde, um unser Honorar zu schmälern. Das Interessante dabei war, dass dies nicht durch die Führungsebene geschah.

Soviel ist sicher: Gute wie auch schlechte Umgangsformen breiten sich rasant in einem Unternehmen oder einer Familie aus.

Der Fisch stinkt vom Kopf

Da „der Fisch vom Kopf her stinkt“, tragen wir als Leitwölfe die Verantwortung für unser Wording, das einen Einfluss auf die uns anvertrauten Menschen hat. Doch auch Pförtner und Lagerarbeiter sind gefordert, auf ihre eigene Kommunikation zu achten.

Überprüfen wir uns selbst: Was denken wir? Wie drücken wir uns aus? – Schon im Vorfeld wissen wir dadurch, wie wir handeln werden.

Die Folgen einer nachgiebigen Wortwahl

Eine zu geschmeidige Kommunikation kann ebenso herausfordernd sein wie eine zu schroffe. Wir haben einen besonders netten Kunden. Seine Mitarbeiter sind ausgesprochen liebenswürdig und zuvorkommend, auch in ihrer Sprache. „Wir versuchen es mal“, „vielleicht“ und „so genau wissen wir das noch nicht“ sind Worte, die die Art ihres Umgangs am besten charakterisieren. Zunächst waren wir alle begeistert davon, mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten. Bald schon merkten wir, dass die weichen Worte aber auch weich in die Tat umgesetzt wurden. Der Termin für die Serienreife wurde ständig verschoben. Schuld war zunächst ein Feiertag, dann ein Wochenende, dann die Sommerferien. Es gab immer einen Grund, die Planung nach hinten zu schieben.

Jeder wusste, dass er auf Verständnis stößt

Um dieses Projekt überhaupt abschließen zu können, erstellten wir gemeinsamen einen Terminplan. Anschließend besiegelten wir durch die Unterschrift jedes Beteiligten das Einverständnis, wöchentlich anzufragen, ob wir noch im Zeitplan lägen. Wir hielten es kaum noch für möglich, konnten aber erstaunlicherweise das Projekt planmäßig zu Ende bringen. Leider ohne nennenswerten Erfolg, denn diese „Versuchen wir es mal“-Haltung setzte sich bei der Markteinführung fort.

Schon kleine sprachliche Veränderungen bringen großartige Ergebnisse

Aus eigener, manchmal schmerzlicher Erfahrung weiß ich, dass das konkrete Feilen am eigenen Wording eine enorme Herausforderung darstellt. Aber wenn Sie ihren Wortschatz analysieren und nur zehn Prozent daran ändern, werden Sie einen positiven Effekt für sich persönlich und ihr Umfeld feststellen.

Machen Sie gleich heute den ultimativen Test. Notieren Sie die Auffälligkeiten und achten Sie ganz bewusst auf Ihre Wortwahl im Unternehmen. Ich garantiere Ihnen: Sie werden überrascht sein und schon heute wichtige Erkenntnisse für sich gewinnen. Damit werden Sie die Entschlusskraft erlangen, manche Begriffe aus Ihrem aktiven Wortschatz zu streichen und andere neu einzuführen. Welche sind das?

 

Ihr Jürgen R. Schmid

Design Tech

www.designtech.eu

 

2 Replies to “Die heimliche Kraft der Alltagsworte

  1. Deine Gedanken unterstütze ich zu 100 Prozent.

    Was mir aber noch als Ergänzung auffällt, ist bei der Kommunikation, ob man sich Siezt oder Duzt.

    Bei uns in der Schweiz ist das Du viel weiter verbreitet und „normal“. In Deutschland stelle ich oft noch das „Gesieze“ fest. Hier in der Schweiz könnte das sich negativ auswirken, wenn ein Chef zulange zuwartet und den Mitarbeitenden das Du nicht anbietet. So erging es mir vor 30 Jahren bei einem Arbeitgeber. Mein Chef war mit mir viel länger per Sie als mit anderen Kollegen. Das hat auf mich befremdlich gewirkt, und ich habe mich dadurch auch nicht wohl gefühlt.

    So plädiere ich dafür, auch die kulturellen Gepflogenheiten zu berücksichtigen. Das muss nicht nur landesspezifisch sein, sondern auch branchenspezifisch. In meiner Branche, dem Internet, kommt man mit dem Sie generell schlecht an und würde sich als Dinosaurier outen.

    Also kann auch ein Du ein wichtiger Bestandteil für eine wertschätzenden Kommunikation sein. Gerade die ältere Generation tut sich damit oft noch schwer.

    • Dieses Thema hat eine großartige Resonanz und lässt sich jederzeit vertiefen. Auch das „Du“
      hat eine größere Auswirkung als uns das beim Benutzen immer bewusst ist.
      Dr. Heiner Schmid (Inhaber von HS Heinrich Schmid ) hat mir berichtet, dass er in seinem Unternehmen (3500 Mitarbeiter) die Kommunikationskraft von wenigen Worten kreativ
      einsetzt, um zentrale Inhalte und Werte zu vermitteln z.B. „Fehler sind Fühler“, das bedeutet, dass Fehler zum Aufspüren von Verbesserungsmöglichkeiten genutzt werden sollen.

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